Gesunde Entwicklung in Organisationen

Die drei entscheidenden Fragen von Theodor D. Petzold in der Organisationsentwicklung

In seinem neuen Buch schlägt uns Theodor D. Petzold drei entscheidende Fragen vor, um heilsame Entwicklung zu fördern. Ich mache die Erfahrung dass diese drei Fragen nicht nur für die persönliche Entwicklung eignen, sondern dass sie auch als sehr wirksames Instrument in der Organisationsentwicklung funktionieren: Sie eröffnen Wege zur gesunden, stimmigen Organisation. Gesunde Führung ist in aller Munde und Theodor D. Petzolds drei Fragen leisten dazu einen richtungsweisenden Beitrag!

1. Frage Was ist Dir bedeutsam?

Akteure in Organisationen und Unternehmen sind zum größten Teil Menschen. Menschen brauchen lebensnotwendig Sinn. Die Frage nach Bedeutsamkeit geht genau diesem Bedürfnis nach. Dieses Bedürfnis spielt gerade in der Lebensdimension Arbeit eine große Rolle. Dort will immer auf irgendeine Art und Weise ein Beitrag zum Gelingen eines größeren Ganzen geleistet werden. Es macht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern außerordentlich Spaß und es entstehen dabei sehr kreative Ideen, wenn sie sich auf die Suche danach machen, was ihnen bedeutsam ist und wie sie durch ihr tägliches Handeln dazu beitragen können. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ziele verfolgen, die ihnen bedeutsam sind, ist die Chance groß, dass ‚dieses Leuchten in ihren Augen entsteht‘, das Förster und Kreuz in Hört auf zu arbeiten! beschreiben. Es entsteht wenn Menschen aufhören zu funktionieren – dies machen Maschinen mittlerweile viel besser – und beginnen, ihr Potential zu entfalten.

Wir fragen also: Was, an dem was Du jeden Tag machst, ist Dir bedeutsam? Nach dem ersten Schock über diese Frage – ‚Wie? Was ich in diesem Betrieb mache darf auch mir was bedeuten? Also nicht nur möglichst korrekt, lösungsorientiert und effizient? – werden auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Buchhaltung, Reinigung und EDV sehr kreativ im Finden von Sinn in dem was sie täglich tun. So fühlen sich Menschen als Menschen wahrgenommen. Schon allein das motiviert.

Die Frage nach Bedeutsamkeit aktiviert das Kohärenzsystem im Nervensystem, das heißt: Die Dinge die wir da finden sind außerordentlich anziehend. Wenn es darum geht, bedeutsame Ziele zu verfolgen, sind wir bereit, auf Dinge die im ersten Moment verlockend sind, zu verzichten oder Dinge zu tun, die wir sonst eher vermeiden würden. Antonovsky hat bereits gezeigt, dass Menschen auch schwere Belastungen unbeschadet überstehen können, wenn sie die Situation als bedeutsam erleben. Antoine de Saint-Exupéry bringt es wunderbar auf den Punkt, wenn er die Rose sagen lässt: ‚Ich muss wohl zwei oder drei Raupen aushalten, wenn ich die Schmetterlinge kennen lernen will.‘
Lehnt Euch zurück und nehmt Euch ein paar Momente Zeit, denkt Euch in eine Organisation, die ihr kennt und stellt Euch vor, wie sie sich sich verändern würde, wenn da regelmäßig Raum wäre für die Frage: Was ist Dir bedeutsam an dem was Du hier jeden Tag tust? Es wird sich in dieser Organisation sehr viel Motivation und Einsatzbereitschaft finden.

Auch wenn es um Zusammenarbeit geht, wird das Potential dieser Frage klar: Tomasello hat gezeigt, dass Kooperation als Grundbedürfnis des Menschen auf geteilter Intentionalität, geteilter Absicht, basiert. Die Frage nach der Bedeutsamkeit macht die grundlegende Absicht der Beteiligen zum Thema. So haben sie die Chance Gemeinsamkeiten zu finden, also geteilte Intenionalität zu entwickeln. Wenn wir uns über Bedeutsamkeiten austauschen, kennen wir die Intentionalität unsere Kolleginnen und Kollegen und können uns darüber austauschen. So entsteht Vertrauen. Vertrauen ist, neben der geteilten Intenionalität, die zweite Säule auf der gelungene Kooperation basiert. Die Frage nach Bedeutsamkeit bringt uns also zu einem neuen Verständnis von Führung: Es geht nicht mehr darum, Zusammenarbeit zu dirigieren, sondern darum, Bedeutsamkeiten zu koordinieren. Stell Dir mal vor, Du bist angestellt und Deine Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen interessieren sich ehrlich dafür, was Dir im Leben wichtig ist und was Du wertvoll findest an Deiner Arbeit – und Du weißt das auch von den anderen… Wie fühlt sich das an?

Gerade wenn es um Gefühle geht, birgt die Frage nach Bedeutsamkeit eine Chance: Ich bin immer wieder überrascht, wie hartnäckig sich die Überzeugung hält, dass in der Arbeitswelt Emotionen unprofessionell sind – gerade auch in sozialen und Dienstleistungsorganisationen. Wenn Führungskräfte einmal das Potential der Frage nach Bedeutsamkeit erkannt haben, sehen Sie auch, welche Chance in gezeigten Emotionen stecken: Im ersten Moment ist es eine große Herausforderung, einen Wutausbruch auszuhalten oder in Kontakt zu bleiben, wenn Tränen fließen. Da muss man durch, das kann man lernen. Aber am Ende eines Gefühlsausbruchs kann man fast immer die ‚Eine-Million-Dollar-Frage‘ stellen: Worum geht es Dir eigentlich? Dann hat man gute Chancen, dass Bedeutsamkeit ungefiltert und klar präsentiert wird. Das ist wahrscheinlich eines der größten Geschenke, die ein*e Vorgesetzte*r von ihrer/seinem Mitarbeiter*in bekommen kann!

2. Frage: Was willst und kannst Du tun?

Die zweite Frage ‚Was willst und kannst Du tun?‘ zielt auf die Verwirklichung dessen was bedeutsam ist. Wenn es sich in den Unternehmenszielen wiederfindet haben Organisationen im Qualitätsmanagement alle Werkzeuge (Zieldefinition, PDCA-Zyklus) zur effektiven Realisierung dessen, was bedeutsam ist. Interessant an der Frage ist die Perspektive: Sie spricht den Menschen an. Sie fragt nicht ‚Was ist nötig?‘, sie fragt ‚Was willst und kannst Du beitragen?. Der Unterschied liegt in der Perspektive: Organisationsentwicklung passiert durch den Beitrag jedes und jeder Einzelnen.
Wenn es darum geht, mit Belastungen im Arbeitsalltag klar zu kommen, ist dieser Perspektivwechsel besonders spannend: An Stelle der Frage ‚Wo kommt die Belastung her? Was gehört geändert?‘ kommt die Frage: ‚Was kann ich selber tun?‘. Sie hilft den Menschen in der Organisation ins Handeln zu kommen, zu Akteuren zu werden. So finden Betroffene die Punkte, an denen sie selber etwas verändern können, auch wenn es nur kleine Dinge sind. Das ist Selbstwirksamkeit, ein Schlüssel zur Resilienz.

3. Frage: Was willst und kannst Du lernen?

Im ersten Moment denkt man hier an den oder die Einzelne*n, bzw. an die Personalentwicklungsabteilung, an Fortbildung und Kompetenzerweiterung.
Für eine lernende Organisation heißt diese Frage: Wo können und wollen wir unsere Prozesse immer wieder neu und unsere Strategie nachhaltig verbessern? Das ist die Grundidee von Qualitätsentwicklung und in jeder Organisation bereits verankert: ständige Verbesserung. Und doch steckt in der Frage etwas Neues, eine große Chance: Wenn wir die Menschen mitgenommen haben, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ‚diesem Leuchten in den Augen‘ an der ständigen Verbesserung mitwirken, dann erfüllt sie sich mit Leben. Das ist der richtungsweisende Beitrag, den Theodor D. Petzolds drei entscheidenden Fragen für die Organisationsentwicklung leisten.

 

Ich freue mich auf Eure Kommentare
Herzlich
Markus Übelhör
www.Übelhör.live

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